MEIN ALLTAG MIT MS

Fatigue Syndrom bei MS

Fatigue ist mehr als nur Müdigkeit

Fatigue bei MS – die ganz andere Müdigkeit

Fatigue ist ein komplexes Zusammenspiel von Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Erschöpfung und emotionalem Chaos. „Ich bin eine Person, die viel unternehmen möchte, gefangen in einem Körper, der viel schlafen will”, schreibt beispielsweise eine Patientin auf Instagram.

Und da haben wir auch schon die Abgrenzung zur Depression, mit der chronische Fatigue von Nicht-Betroffenen oft verwechselt wird: Menschen mit MS haben Pläne, sie wollen aktiv sein und Dinge mit anderen unternehmen, zumindest morgens – aber im Lauf des Tages sieht es anders aus … Vieles, das sonst machbar ist, lässt sich wegen des Bedürfnisses nach Ruhe nicht umsetzen. Das frustriert. Doch leider verlieren viele Fatigue-Betroffene ihren Elan. Langfristig kann sich aus der Erschöpfung eine Depression entwickeln. Nicht immer lässt sich die Grenze trennscharf ziehen.1

Fatigue-Syndrom – Ein komplexes Chaos mit vielen Unbekannten

Fatigue ist ein Energiefresser. Fatigue tritt bei vielen chronischen Erkrankungen auf, wie auch bei der MS. Körperliche und geistige Antriebslosigkeit macht sich breit, ebenso Konzentrationsschwäche, Niedergeschlagenheit und verlangsamtes Denkvermögen. Es gibt die chronische Fatigue jedoch auch als eigenständige, wenig erforschte Erkrankung als „Chronic Fatigue Syndrome“, kurz CFS oder Myalgische Enzephalomyelitis, abgekürzt ME. Aber kann denn irgendjemand überhaupt eindeutig die Frage klären: Was versteht man unter Fatigue? Die Definitionen zu Fatigue als Long-Covid-Erscheinung wirken oft hilflos. Die gute Nachricht: MS-Betroffene sind seit Corona nicht mehr alleine im Kampf um bessere Diagnosen und Behandlung der chronischen Müdigkeit. Immer noch bleiben viele Fatigue-Betroffene ohne Diagnose, denn die ist oft zeitraubend und aufwändig.2

Viele fragen sich, ob dieser Erschöpfungszustand jemals endet. Tatsächlich ist die Dauer der Fatigue sehr unterschiedlich. Hält dieser Erschöpfungszustand über Monate oder Jahre an oder kehrt zurück, dann spricht man von einer chronischen Fatigue.3

Eine der Ursachen für Fatigue, die bei MS, bei Krebs oder als Long-Covid-Folge auftreten kann, ist die Krankheit selbst. Dahinter kann auch Blutarmut infolge einer Therapie stecken oder eine Stoffwechselstörung.1 Die Diagnose umfasst Blutuntersuchungen, neurologische und internistische Untersuchungen, bereits die Anamnese ist mühsam.

Doch abschließend sind Ursachen und Entstehung des Erschöpfungssyndroms noch nicht erforscht, das Krankheitsbild dieser systemischen Erkrankung bleibt uneinheitlich: Die Fehlregulationen betreffen das Nervensystem, das Immunsystem und das Hormonsystem.2

Je nachdem, was die Ursache der Fatigue ist, können Medikamente eingesetzt werden. Ist der Grund nicht eindeutig oder wie so häufig ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren, dann hängt die Therapie stark davon ab, welcher Teil des Lebens am meisten beeinträchtigt ist: Körper, Seele, Denken.1

Was hilft also gegen Fatigue?

Der Fokus liegt auf der Behandlung der Symptome. Neben der ärztlich bestimmten individuellen Therapie können Patient:innen selbst der Fatigue- Erkrankung entgegenwirken: Mit Aktivität und Sport – aber ohne Übertreibung. Zu wenig Anstrengung lässt ihre Kraft und Ausdauer schwinden, zu viel wirft sie zurück und der Körper rächt sich mit noch stärkerer Erschöpfung.1

Eine Reha bei MS wird genau das trainieren, um den Teufelskreis der Fatigue zu unterbrechen und die richtige Balance zu finden zwischen sozialer Interaktion, körperlicher Aktivität und ausreichender Ruhe. Im sogenannten Pacing2 wird das individuelle Energiemanagement erarbeitet.

Die Skala der Fatigue-Schweregrade

Zur Diagnosestellung ist die Skala der Schweregrade hilfreich.4 Der Fragebogen zur Ermittlung der Ermüdungserscheinungen, der Fatigue Assessment Scale (FAS) umfasst zehn Fragen.4

Das Fatigue-Syndrom und seine komplexen Auswirkung

Die ständige Müdigkeit – schließlich bedeutet das französische Wort Fatigue Müdigkeit – kennzeichnet die Krankheit und beeinflusst die Lebensqualität enorm. Wenn Menschen mit Multipler Sklerose über ihre Erfahrungen mit Fatigue sprechen, dann ist oft die Rede von vielen Pausen im Alltag, von Schlafstörungen, einer Verschlimmerung der Spastik und der Angst davor, eine chronische Fatigue und Kognitionsstörungen zu entwickeln.5

Gerade die richtige Dosierung der Pausen ist ein Balanceakt, der sehr unterschiedlich wahrgenommen wird – stressig oder hilfreich. Manchmal sind müde machende Medikamente der Grund, dass MS-Patient:innen schon nach kleinen Anstrengungen erschöpft sind. In solchen Fällen kann vielleicht die Medikation geändert werden, aber ein Medikament gegen Fatigue gibt es leider nicht.5

Durch Corona ist ein neuer Auslöser der Fatigue dazu gekommen: Das Long-Covid-Syndrom. Wer einen positiven Corona-Test hatte, sollte eine Infektion mit Covid-19 als Ursache für eine neu auftretende Fatigue in Betracht ziehen. Die Symptome können wieder abklingen, sich aber auch zu einer chronischen Erkrankung entwickeln mit Folgen bis hin zur Schwerbehinderung oder Arbeitsunfähigkeit.6 Fatigue ist durch Long Covid ein gesamtgesellschaftliches Thema geworden, das nicht nur Betroffene von MS, Krebs, Schlaganfall oder Parkinson betrifft.

AUCH DIE PAUSE GEHÖRT ZUR MUSIK

Stefan Zweig

Fatigue-Symptome: Früh erkennen und handeln

Es ist unbefriedigend, dass Fatigue noch nicht ausreichend erforscht ist, Therapien einen langen Atem brauchen, die Dunkelziffer der Betroffenen von Fatigue bei MS hoch und das Krankheitsmanagement der Fatigue-Symptome schwierig ist.

Man geht davon aus, dass rund die Hälfte aller MS-Betroffenen mit dem Fatigue-Syndrom zu kämpfen hat – das ist dann der Fall, wenn die Erschöpfung länger als sechs Wochen andauert und mehr als die Hälfte dieser Tage prägt.5 Therapeut:innen sprechen davon, dass die Akzeptanz der Fatigue wichtig ist, um sie in den Alltag mit MS zu integrieren. Deshalb ist es entscheidend, sich bei der Diagnose MS auch mit dieser Frage auseinanderzusetzen: Welche Symptome bei Fatigue?

Fatigue-Symptome zeigen sich auf drei Ebenen: körperlich, seelisch und geistig. Die körperlichen Anzeichen sind am häufigsten:7

Körperliche Symptome:

Seelische Symptome:

Geistige Symptome:

Fatigue – Was hilft? Strategien für das Fatiguemanagement

Heilbar ist Fatigue nicht, doch es gibt Strategien, sie zu steuern. Die Deutsche Fatigue Gesellschaft weist darauf hin, dass aktuell kein Medikament gegen Fatigue eine Zulassung hat.8

Eine Verhaltensänderung ist nötig: Die Krankheit und mit ihr die Fatigue muss akzeptiert werden, um sie zu managen. Auch das Sträuben gegen Fatigue zehrt an den Kräften. Wer neue Verhaltensmuster entwickelt, kann sich auch bewusst entscheiden, über seine Kräfte zu gehen, weil ein Anlass, ein bestimmter Tag es wert ist.5

Zu den Strategien des Fatiguemanagements gehört auch das Energiemanagement. Im Haushalt können Arbeiten delegiert oder Arbeitsplätze – Zuhause oder im Job – so umgestaltet werden, dass Abläufe effizienter und weniger kräftezehrend werden. Energiekiller wie dauerndes Telefonklingeln oder ständige Erreichbarkeit können reduziert werden. Entlarven Sie Ihre Stressoren und entwickeln Sie mit Ihrem Umfeld Möglichkeiten, diese zu vermeiden.

Florence Nightingale und Fatigue: Der internationale ME/CFS-Tag

Fast jeder und jede hat schon von Florence Nightingale (1820–1910) gehört, der berühmten englischen Krankenschwester und Begründerin der modernen professionellen Krankenpflege und Gesundheitsfürsorge. An ihrem Geburtstag, am 12. Mai, wird seit 1995 der International ME/CFS/CFIDS-Awareness Day gefeiert. Seit sie 35 Jahre war, litt Florence Nightingale über 50 Jahre lang an einer Fatigue-Erkrankung. Häufig konnte sie nicht einmal das Bett verlassen und hat trotzdem so viel bewirkt.

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Disclaimer

Diese allgemeinen Informationen haben nicht die Absicht, eine Erkrankung zu diagnostizieren oder medizinisches Fachpersonal zu ersetzen. Um die beste Beratung für Ihre Krankheit sowie Antworten auf Ihre medizinischen Fragen zu erhalten, sollten Sie einen Mediziner konsultieren. Nur ein Arzt kann Ihre Lage vollumfänglich und angemessen einschätzen und entscheiden, welche Behandlungen erforderlich sind.

Quellen:

1. Stiftung Deutsche Krebshilfe, Fatigue. Chronische Müdigkeit bei Krebs. Antworten. Hilfen. Perspektiven.
2. Bested AC, Marshall LM. Review of Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: an evidence-based approach to diagnosis and management by clinicians. Rev Environ Health. 2015;30(4):223-49
3. https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/basis-informationen-krebs-allgemeineinformationen/ fatigue-bei-krebs.html
4. https://www.wasog.org/dynamic/media/78/documents/Questionairres/FAS_Germany_PDF.pdf
5. https://www.amsel.de/beratung/expertenchat/chatprotokolle/fatigue-bei-multipler-sklerose-3/
6. https://www.mecfs.de/longcovid/
7. https://deutsche-fatigue-gesellschaft.de/fatigue/fatigue-seite/
8. https://deutsche-fatigue-gesellschaft.de/

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